Zeitbilder der Conower Kirche
Die drei folgenden Texte sind basierend auf historischen Tatsachen frei
gefunden. Sie sollen einen Eindruck geben von den Verrinderungen, denen die
Conower Kirche in ihrer Geschichte unterworfen war.
( Pastor Martin Grahl, Festschrift " 725 Jahre Conow )
1. Das Innere der Conower Kirche zur Zeit der Reformation
"Herr” von Conow war das Kloster Eldena, der Frauenkonvent des Benediktinerinnenordens.
Die Kirche des Kirchspiels Conow war sehr klein und einfach,
fast mochte man sagen, eine größere Kapelle. Aber sie war groß genug. Wenn
die Menschen zur Kirche kamen, darum standen sie während der Messe, es gab
keine Bänke. Durch ein kleines Portal an der Südseite betraten sie den Raum,
19 Meter lang, 9 Meter breit. Mehr als 200 Menschen konnten bequem sich in
der Kirche aufhalten. Gleichmäßig fiel Licht durch die je vier schmalen Fenster
im Süden und Norden. Zur rechten Seite war der Altarraum. Ein sehr großer
Altar stand dort, viel zu kostbar und groß, als dass die Conower Bauern hätten
ihn kaufen können. Es war ein Geschenk an das Eldenaer Kloster gewesen. Mit
viel Blattgold belegte und mit schönen Farben bemalten Figuren standen im dem
vergoldeten Holzschrein. Die zwölf Apostel in vier Dreiergruppen standen in
den Seiten, die man zuklappen konnte. Auf den Rückseiten waren Tafelbilder,
Ölgemälde, etwa 90 mal 120 Zentimeter groß. In der Mitte gab es vier Figuren,
eine davon war der segnende Christus, und in der Mitte stand eine Reliquie in
einem kostbaren Behälter. Das Kloster Eldena hatte diesen Schrein aus dem
Niederrhein seinem Tochterkirchlein geschenkt.
An der Seite neben dem steinernen Altar stand das Vortragekreuz, eine Schnitzerei,
die fast so alt wie die Kirche sein mochte. An der Westseite gab es kein
Fenster. Dort stand noch ein neuer Altar, kleiner und einfacher als der Hauptaltar.
Hier las der Priester vor den Figuren der Heiligen Maria, der heiligen
Anna und der Heiligen Katharina Totenmessen für die Bauern und für eurige
verstorbene Nonnen aus Eldena- Dort an der Westwand stand auch der alte
Taufstein. Von dort aus war es besonders am Morgen ein prächtiger Blick zur
Ostwand mit den drei langen schmalen Fenstern hinter dem Altar. An seiner
Nordseite stand in einer Mauernische die dritte Christusfigur der Kirche:
Christus als Leidender. Sie war sehr einfach und doch sehr eindrucksvoll, fast
grob geschnitzt, aber doch weich in den Gesichtszügen. Neben dieser Nische
gab es eine gut verschlossene kleinere Nische, darin waren die Abendmahlsgeräte
verschlossen.
Der Priester hatte mit den Gebeten schon begonnen. Er trug ein farbiges
Priestergewand, mit wertvollen Stickereien versehen. Er hieß Andreas Sasse. Er
predigte deutsch. Und er predigte gut, so gut, dass Eldenaer Nonnen jeden
Sonntag zu ihm nach Conow kamen. Er predigte nach der Bibel, wie er es von
Martin Luther gelernt hatte. Und es gefiel den Nonnen. Sie wehrten sich nicht
gegen die Reformation. Sie begrüßten sie und führten das neue Gedankengut
gegen den Willen ihrer Ordensoberen auch in Eldena ein.
2.Nach dem Jahrhundert der schlimmen Kriege
Es war im Jahre 1713. Der Pastor traute sich nicht aus dem Haus. In Conow
hausten die Russen. Peter der Große hatte sie nach Mecklenburg geschickt, um
sie im Nordischen Krieg gegen die Schweden kämpfen zu lassen. Diese
Truppen waren im Volk nicht besonders beliebt, es waren zum großen Teil
Söldner üblen Schlages, keine besonders guten Botschafter ihres Volkes. Wenn
der Pastor Gottesdienst hielt, kamen aus Angst vor den Russen nur Wenige aus
den Dörfern .
Überhaupt gab es ja nur noch wenige Einwohner. Im ganzen Kirchspiel waren
es weniger als 300 Menschen. Vor den Kriegen waren es 1200 gewesen! Der
301ährige Krieg hatte schlimm gewütet. Aber immerhin, es ging allmählich
bergauf. In der Kirche sah es wieder schön aus. Hundert Jahre nach der Reformation
hatte man endlich Bänke und Emporen eingebaut, man dachte sogar
schon an eine kleine Orgel. Über dem Altar war eine Kanzel gebaut worden,
treu nach der Lutherlehre: Wort und Sakrament, Predigt und Abendmahl, gehören
zusammen. Die alten gotischen Schnitzereien hatte man an die Seitenwände
gebracht. Ein neuer gemauerter Taufstein mit Kupferkessel stand in der Mitte
der Kirche, der Traum des Pastors war ein großer geschnitzter Taufengel, wie
ihn andere Kirchen auch hatten. Die alten unmodischen langen Fenster aus dem
Mittelalter \waren nicht mehr zu sehen. An den Seiten hatte man kleine Kastenfenster
eingesetzt, und die Altarfenster waren hinter dem Kanzelaltar fast
verschwunden. Die Abendmahlsgeräte aus vergoldetem Silber waren im Krieg
natürlich gestohlen worden. Aber man hafte schon neue. Zuerst einen Zinnkelch,
dann aber wieder einen schlichten vergoldeten Silberkelch.
Man hatte auch fünf große Zinnleuchter! Das kleine Conower Kirchlein auf
dem Friedhof der Gemeinde inmitten vom Dorf war schon ein rechtes Schatz-
häuschen Der ganze Stolz des Pastors aber war das hölzerne Glockentürmchen
an der Westseite mit einer schönen Glocke. Die Nachbardörfer spotteten zwar
und meinten, in Conow könnte man bei Regen den Kirchturm unters Kirchendach
schieben, so hoch sei er eben, aber das störte den Pastor nicht. Wenn nur
die Russen nicht im Dorf wären! Sein strohgedecktes Pfarrhaus unterschied
sich im übrigen kaum von den anderen Dielenbauernhäusern im Dorf. Kühe
und Schweine hatte er wie die anderen auch im Haus bei der Diele, das mit der
Torscheune erst vor einigen Jahrzehnten erbaut worden war. Die Hälfte vom
Viehbestand hatte er allerdings an die Russen als eine Art Tribut abgeben
müssen...
3.Der Neubau der Kirche
Pastor Meyer hatte 1887 wenig Zeh, sich um seine Gemeinde zu kümmern.
Dabei machte er den lieben langen Tag nichts anderes, als etwas für die
Gemeinde zu tun! Seit mehr als zwanzig Jahren hieß es: So kann es nicht mehr
weitergehen! Die alte Kirche muss renoviert werden, das Gestühl, die Emporen
und die Orgel waren kaum noch nutzbar. Aus dem Schatzhäuschen von einst
war mit der Zeit eine Klamottenkiste geworden. Und dann am Heiligabend! Die
Kirche war viel zu klein. Und auf die Emporen traute sich niemand mehr zu
gehen aus Angst damit abzustürzen!
Jetzt also war es soweit. Die alte Kirche hatte man im letzten Jahr abgetragen,
die neue war im Wachsen. 70 Zentimeter waren die Mauem dick, Die Zahl der
Steine konnte man lange schon nicht mehr zählen! 150 Tausend waren es
gewiss, und alle per Hand gemauert von vielen fleißigen Händen. Kirchen baut
man nicht nur für eine Generation. Wäre der Krieg gegen Frankreich nicht
gewonnen worden, hätten die Staatskassen nicht das Geld zum Bau gehabt. Die
Gemeinde selbst hätte höchstens genug Geld gehabt um das alte Kirchlein
halbwegs zu renovieren. Aber das wollte der Großherzog nicht, der ja der
Patron der Kirche war als Grundherr von Conow.
In dieser Zeit war gleich links auf dem Pfarrhof in der großen Scheune eine
"Notkirche" eingerichtet worden. Und am Pfarrhaus baute man auch noch einen
großen Seitenflügel an, mit modernen Felsenkeller und neuem Backofen für die
Pfarrfamilie. Nun konnte in Zukunft im Pfarrhaus auch Konfirmandenunterricht
stattfinden.
Der Pastor schrieb Briefe, kümmerte sich um den Fortgang der Arbeiten, hatte
dies und jenes zu entscheiden. Ein Jahr noch sollte dieses Durcheinander
dauern, dann würde endlich wieder Ruhe einkehren!
Aber Pastor Meyer wollte sich nicht beschweren. Aller Neuanfang ist eben
schwer. Und er wusste genau, wie schlecht es viele andere Gemeinden hatten:
brüchige Pfarrhäuser und knauserige Patrone. Da hätte er froh sein können,
wenn seine Kirche ein bisschen neue Farbe abbekommen hätte. Jetzt aber durfte
er einen Brief beantworten betr. der neuen Orgel durch Orgelbaumeister Friese.
Nur dass er gerne ein großes Altargemälde gehabt hätte! Er musste sich mit
einem farbigen Fenster über dem Altar zufrieden geben. Insgeheim überlegte er,
wenn er auf der Baustelle inmitten der Gräber auf dem Kirchhof nach dem
rechten schaute, schon an der Einweihungspredigt. Die würde er dann in die
Akten des Pfarrarchivs legen. Denn das sollte deutlich sein: Es ist nicht nur ein
Bauwerk fleißiger Hände. Es ist gebautes Gotteslob! Da war er mit dem
Architekten einig: Es soll eine Predigt in Stein werden, eine predigt des
Glaubens. Zu Pfingsten 1888 war das große Fest geplant, zum "Geburtstag"
der Kirche weltweit. Pastor Meyer dachte an die frisch restaurierten Apostelfiguren,
die auf dem Boden der Notkirche schon darauf warteten in die neue
Kirche zu kommen. Das Neue war ja nur das immer lebendige und alle Generationen
überdauernde Wort des ewigen Gottes.